Fanserie, Teil zwei... sport.ard.de

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Pecos
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Fanserie, Teil zwei... sport.ard.de

Beitrag von Pecos » Di, 10.02.04, 11:13

Hi,

für alle dies interessiert ;o)...
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"Ich lebe für den Fußball"

Von Christian Mixa

Ultras, Groundhopper, aktive Fans - im zweiten Teil der Fanserie gibt sport.ARD.de einen Überblick über aktuelle Strömungen in der Fanszene.

Einen vereinsübergreifenden Zusammenschluss von Fußballfans konnte die breite Öffentlichkeit erstmals im März 2001 in den Bundesligastadien beobachten: damals beteiligten sich Fans fast aller Klubs an der Protestaktion Pro15:30 und forderten eine einheitliche Ansetzung der Spieltermine am Samstagnachmittag. Organisierte Fanbewegungen gab es in Deutschland aber schon vorher. Fanklubs, Faninitiativen und Fanzines gründeten 1993 das Bündnis aktiver Fussballfans, kurz BAFF. BAFF ist Teil des europäischen Netzwerkes Football Against Racism in Europe (FARE), seit November 2001 organisieren die Fan-Aktivisten die Wanderausstellung "Tatort Stadion", die Fälle von Gewalt, Rassismus und Diskriminierung im deutschen Fußball dokumentiert. Inzwischen kämpft BAFF nicht mehr nur gegen rechte Umtriebe, sondern gegen fanfeindliche Entwicklungen aller Art. Welche das sind, steht in ihrem Aktionsprogramm: "Übertriebene Kommerzialisierung des Fußballs, TV-Allmacht", aber auch "die zunehmende Repression von Polizei und Ordnungskräften."

Von Pro 15:30 zu Pro Fans

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Fanproteste pro 15:30

Vor allem das letzte Thema brennt vielen Stadionbesuchern zurzeit unter den Nägeln. "Das größte Problem sind die Stadionverbote", sagt Thomas Weinmann, hauptamtlicher Fanbeauftragter bei Borussia Mönchengladbach. "Die ganze Praxis ist juristisch fragwürdig, weil die Unschuldsvermutung außer Kraft gesetzt ist."

Auch deshalb engagiert sich der Gladbacher bei Pro Fans, der "größten unabhängigen Organisation" (Weinmann) in der deutschen Fanszene und Nachfolger von Pro 15:30. "Wir kommunizieren über Vereinsgrenzen hinweg, vor allem über das Internet. Bei den Fans haben wir mittlerweile einen höheren Stellenwert als BAFF oder die Fanprojekte." Pro Fans setzt sich ebenfalls für den Erhalt der traditionellen Fankultur der Stehkurven ein. Fanprojektler wie Weinmann suchen dabei den Interessensausgleich mit den Vereinen: "Es müssen bestimmte Regeln eingehalten werden, zum Beispiel keine Pyrotechnik. Aber sonst brauchen die Fans alle Freiheiten, um sich kreativ zu entfalten."

Die Zukunft der Kurve

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Auch in Freiburg stark vertreten: Ultras

Freiraum in der Kurve fordern vor allem die so genannten Ultras, die auch zahlreich bei Pro Fans vertreten sind. Die Ultras, eine ursprünglich italienische Fanströmung, trifft man seit der Mitte der 90er Jahre verstärkt auch in deutschen Stadien. Ihre Markenzeichen: riesige, oft aufwändig gestaltete Fahnen und Transparente, Doppelhalter, Megafone und bengalische Feuer. Optisch haben die Ultras so bereits das Kommando auf den Stehplätzen. Und auch zahlenmäßig bekommen sie weiter Zulauf. Für die Fanforscher sind die Ultras die Zukunft der Kurve, ihre fantasievollen Choreographien bringen eine positive, kreative Fankultur in die Stadien. Und das bislang weitgehend friedlich und ohne die rassistischen Ausfälle, die viele italienische Ultras in Verruf gebracht haben. Rechte Tendenzen, so das Urteil der Fanprojekte, spielen bei den Ultras keine Rolle oder werden unterdrückt. "Uns geht es vor allem um die Stimmung im Stadion", stellt Tom Beck von den Supporters Karlsruhe klar.

Die Ultras verkörpern einen neuen, modernen Typ Fan: Bedingungslose Unterstützung für den Verein. Aber gleichzeitig kritisch und distanziert gegenüber Spielern und Offiziellen. Dementsprechend häufig und heftig sind inzwischen auch die Fanproteste, wie erst letzten Samstag (07.02.04) beim Streik der BVB-Anhänger in Wolfsburg. Einige Ultras wie der Karlsruher Beck streben auch nach mehr Mitsprache in den Vereinsgremien. "Wir wollen, dass vor allem finanziell wichtige Entscheidungen transparenter werden. Der Verein darf nicht kaputt gemacht werden."

Ultra-gefährlich?

Von Polizei und Ordnungskräften werden Ultras dagegen oft "erstmal als Sicherheitsrisiko wahrgenommen und auch dementsprechend behandelt, vor allem bei Auswärtsspielen", berichtet KSC-Ultra Beck. Fanbeauftragter Weinmann sieht das ähnlich: "Die Hooligans sind weitestgehend aus den Stadien verschwunden. Jetzt picken sich die Ordnungskräfte halt die Ultras raus, weil die optisch am auffälligsten sind. Sie glauben: das sind die Troublemaker der Zukunft." Die Polizei wehrt sich gegen solche Pauschalurteile: "Die Fans sind nicht unsere Feinde. Wir akzeptieren ihre Rituale. Aber Unbeteiligte dürfen dabei nicht gefährdet werden" sagt Michael Kuchenbecker, seit 20 Jahren in Dortmund Einsatzleiter bei den Heimspielen des BVB. "Es gibt Einzelfälle, in denen Beamte überzogen reagieren. Aber dafür müssen sie sich nachher auch verantworten." Die Zeit der rivalisierenden Mobs und Massenschlägereien ist zwar vorbei. Aber Kuchenbecker verweist darauf, dass im Umfeld von Bundesligaspielen immer noch genauso viele Straftaten registriert werden wie früher.

Die Stimmung ist inzwischen trotzdem an einem kritischen Punkt. Fanprojektler wie Thomas Weinmann sehen die größte Gefahr in der fortschreitenden Kommerzialisierung: "Natürlich brauchen die Vereine das Geld aus der Fernsehvermarktung, um oben zu bleiben. Aber die Interessen der Fans müssen gewahrt bleiben", warnt er. "Wenn man die Fans nicht ernst nimmt, dann kann die Stimmung auch kippen, hin zu einer Radikalisierung."

San Siro statt Scala, Prinzenpark statt Louvre

Dass die ursprünglich italienische Ultra-Bewegung überhaupt bei uns Fuß fassen konnte, ist auch den so genannten Groundhoppern zu verdanken. Groundhopper, vor allem die deutsche Ausgabe davon, besuchen seit den frühen Neunzigern das ganze Jahr über Fußballspiele in aller Welt. Und bringen so die verschiedenen Stadionkulturen mit nach Deutschland. Hardcore-Hopper wie Michael Seiß haben bereits 800 Stadien abgeklappert. Darunter natürlich die Kultobjekte, "Bernabeu, der WM-Ground 90. Ich war allein schon vierzehn Mal in San Siro", berichtet Seiß. "Aber das ist der Mainstream. Spannend ist es, in Stadien zu fahren, die nicht jede Woche im Fernsehen zu sehen sind." Dafür ist Seiß jedes Wochenende unterwegs und nutzt auch seit Jahren jeden Urlaubstag, um irgendwo auf der Welt ein Stadion zu besuchen. "Familie und Freunde bleiben da natürlich auf der Strecke." Der 35-Jährige hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Seiß gibt die Stadionbibel 'Groundhopping Informer' heraus und ist Mitbetreiber das Portals Stadionwelt.de. Über Stadionwelt fanden sich auch die Initiatoren von Pro 15:30 zusammen. So schließt sich der Kreis. Und das Motto von Groundhopper Seiß gilt letztendlich für alle aktiven Fans: "Ich lebe für den Fußball."

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