Endlich eine Verurteilung -wenn auch eine milde
Verfasst: Mo, 12.12.11, 12:50
Polizeischläger verurteilt
Faustattacke auf Besucherin eines Fußballspiels: Zehn Monate auf Bewährung wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt
Claudia Wangerin
Eineinhalb Jahre hat Anne H., Studentin der Umwelttechnik und FC-St.-Pauli-Fan, auf diesen Schuldspruch gewartet. Der Berliner Polizist, der am 17. April 2010 grundlos mit der Faust auf sie einprügelte, ist am Freitag nachmittag wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Amtsgericht Berlin folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage. Das Gericht hatte keine Zweifel an der Schilderung der 29jährigen Hauptbelastungszeugin, die von weiteren Zeugen und einem Amateurvideo gestützt wurde.
Dreimal hatte der 44jährigen Polizeibeamte Marcus von P. nach einem Fußballspiel am Gästeausgang des Stadions Anne H. mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dabei brach er ihr das Nasenbein, hinzu kamen Absplitterungen an vier Zähnen, Prellungen und Blutergüsse. So wurde Anne H. zunächst vom Täter und einem Kollegen festgenommen, der später als Zeuge aussagte, er habe einen der Faustschläge gesehen, aber nicht, was dem vorausgegangen sei.
Vor einem Jahr saß Anne H. wegen der Auseinandersetzung selbst auf der Anklagebank, weil von P. sie angezeigt hatte – sie wurde aber von den Vorwürfen Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte freigesprochen.
Was war geschehen? Nach dem Fußballspiel FC Union gegen St. Pauli am 17. April 2010 wollte Anne H. an der Tankstelle beim Gästeausgang noch ein Bier trinken. Den Abzug der Fans von St. Pauli und FC Union überwachte die 21. Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei. In der Tankstellenausfahrt wollte Anne H. einer offenbar betrunkenen Person aufhelfen, die Gefahr lief, von einem Polizeifahrzeug erfaßt zu werden, als von P. erschien und brüllte, daß alle sofort zu verschwinden hätten. Es kam zu einem Wortgefecht zwischen ihm und einem Fußballfan. Anne H., früher selbst Polizistin, wollte deeskalieren und den Fan wegziehen. Daraufhin schlug von P. zu. Auf dem Amateurvideo wirkt Anne H. völlig perplex, kurz bevor der Polizist ein zweites und drittes Mal zuschlägt.
Unmittelbar vor den Plädoyers ließ der zuvor schweigsame Angeklagte durch seinen Anwalt eine Erklärung verlesen, in der er erneut behauptete, das Opfer habe ihm an den Hals gegriffen. Mit zwei Schlägen habe er sich aus einem Würgegriff befreien wollen. Im Beweisvideo war dagegen zu sehen, daß er sich zwischen diesen beiden Schlägen kurzzeitig von Anne H. abwendete. Für die Schwere der Verletzungen entschuldigte er sich allerdings, zum Schluß auch in einer mündlichen Erklärung.
Sein Verteidiger machte einen »Notwehrexzeß« oder einen »Erlaubnistatbestandsirrtum« geltend. Einige Zeugenaussagen sprachen tatsächlich für eine Verwechslung – jedoch für eine, die dem Angeklagten sehr hätte klar sein müssen, bevor er das Opfer anzeigte. So hatte ein Polizeizeuge kurz nach dem Vorfall von ihm gehört, er habe zugeschlagen, wisse aber nicht, ob er vorher von einem Mann angegriffen worden sei.
Auf dem Video ist Anne H. – zierlich und nicht größer als 1,70 Meter – eindeutig als Frau zu erkennen. »Er hätte sich nie entschuldigt, wenn er nicht vor Gericht gestanden hätte«, sagt sie. »Verurteilungen dieser Art sind extrem selten«, weiß ihr Rechtsanwalt Sven Richwin. »In den meisten Fällen von Polizeigewalt kommt es gar nicht erst zur Anklage.«
Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2011/12-12/019.php
Faustattacke auf Besucherin eines Fußballspiels: Zehn Monate auf Bewährung wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt
Claudia Wangerin
Eineinhalb Jahre hat Anne H., Studentin der Umwelttechnik und FC-St.-Pauli-Fan, auf diesen Schuldspruch gewartet. Der Berliner Polizist, der am 17. April 2010 grundlos mit der Faust auf sie einprügelte, ist am Freitag nachmittag wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Amtsgericht Berlin folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage. Das Gericht hatte keine Zweifel an der Schilderung der 29jährigen Hauptbelastungszeugin, die von weiteren Zeugen und einem Amateurvideo gestützt wurde.
Dreimal hatte der 44jährigen Polizeibeamte Marcus von P. nach einem Fußballspiel am Gästeausgang des Stadions Anne H. mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dabei brach er ihr das Nasenbein, hinzu kamen Absplitterungen an vier Zähnen, Prellungen und Blutergüsse. So wurde Anne H. zunächst vom Täter und einem Kollegen festgenommen, der später als Zeuge aussagte, er habe einen der Faustschläge gesehen, aber nicht, was dem vorausgegangen sei.
Vor einem Jahr saß Anne H. wegen der Auseinandersetzung selbst auf der Anklagebank, weil von P. sie angezeigt hatte – sie wurde aber von den Vorwürfen Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte freigesprochen.
Was war geschehen? Nach dem Fußballspiel FC Union gegen St. Pauli am 17. April 2010 wollte Anne H. an der Tankstelle beim Gästeausgang noch ein Bier trinken. Den Abzug der Fans von St. Pauli und FC Union überwachte die 21. Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei. In der Tankstellenausfahrt wollte Anne H. einer offenbar betrunkenen Person aufhelfen, die Gefahr lief, von einem Polizeifahrzeug erfaßt zu werden, als von P. erschien und brüllte, daß alle sofort zu verschwinden hätten. Es kam zu einem Wortgefecht zwischen ihm und einem Fußballfan. Anne H., früher selbst Polizistin, wollte deeskalieren und den Fan wegziehen. Daraufhin schlug von P. zu. Auf dem Amateurvideo wirkt Anne H. völlig perplex, kurz bevor der Polizist ein zweites und drittes Mal zuschlägt.
Unmittelbar vor den Plädoyers ließ der zuvor schweigsame Angeklagte durch seinen Anwalt eine Erklärung verlesen, in der er erneut behauptete, das Opfer habe ihm an den Hals gegriffen. Mit zwei Schlägen habe er sich aus einem Würgegriff befreien wollen. Im Beweisvideo war dagegen zu sehen, daß er sich zwischen diesen beiden Schlägen kurzzeitig von Anne H. abwendete. Für die Schwere der Verletzungen entschuldigte er sich allerdings, zum Schluß auch in einer mündlichen Erklärung.
Sein Verteidiger machte einen »Notwehrexzeß« oder einen »Erlaubnistatbestandsirrtum« geltend. Einige Zeugenaussagen sprachen tatsächlich für eine Verwechslung – jedoch für eine, die dem Angeklagten sehr hätte klar sein müssen, bevor er das Opfer anzeigte. So hatte ein Polizeizeuge kurz nach dem Vorfall von ihm gehört, er habe zugeschlagen, wisse aber nicht, ob er vorher von einem Mann angegriffen worden sei.
Auf dem Video ist Anne H. – zierlich und nicht größer als 1,70 Meter – eindeutig als Frau zu erkennen. »Er hätte sich nie entschuldigt, wenn er nicht vor Gericht gestanden hätte«, sagt sie. »Verurteilungen dieser Art sind extrem selten«, weiß ihr Rechtsanwalt Sven Richwin. »In den meisten Fällen von Polizeigewalt kommt es gar nicht erst zur Anklage.«
Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2011/12-12/019.php