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von zabo » Do, 06.10.22, 12:23
aus MZ von heute:
„Ärgerlich, vielleicht sogar peinlich“
Hans Rothammer, der Vorstandsvorsitzende des SSV Jahn, erläutert Details der Transferpanne im Fall Singh, kommentiert den abrupten Abgang von Sportchef Roger Stilz, spricht Coach Mersad Selimbegovic abermals das Vertrauen aus – und lässt seine eigene Zukunft beim Regensburger Fußball-Zweitligisten offen.
Herr Rothammer, wie sehr schmerzt Sie ein möglicher Imageschaden, den der SSV Jahn derzeit durch die fehlende Spielberechtigung von Sarpreet Singh erleidet?
Hans Rothammer: Ich sehe keinen solchen Imageverlust, jedenfalls keinen nachhaltigen. Sicherlich ist der Vorgang unangenehm und ärgerlich, ja vielleicht sogar peinlich. Aber er wertet ja nicht unsere gesamte Tätigkeit ab. Wir arbeiten genauso solide und seriös wie vorher. Wo Menschen arbeiten, passieren nun mal auch Fehler.
Wie kam es zu der Transferpanne?
Rothammer: Beim Leihgeschäft mit dem FC Bayern Ende Juli ist es versäumt worden, den Wechsel ordnungsgemäß der Deutschen Fußball-Liga anzuzeigen. Wie und warum auch immer, entzieht sich meiner Kenntnis.
Und wann ist dieser Lapsus aufgefallen?
Rothammer: Tatsächlich erst, als Sarpreet Singh zu Beginn der Länderspielpause für das Spiel in Magdeburg (2. Oktober/d. Red.) als Ersatzspieler im Kader infrage kommen sollte. Wir haben noch versucht, Argumente bei der DFL vorzubringen, weil Sarpreet vorher ja verletzt war. Vergeblich. Am Montag vergangener Woche war endgültig klar, dass sich da nichts mehr reparieren lässt. Dann haben wir den Spieler, die Mannschaft, unsere Mitarbeiter und schließlich auch die Öffentlichkeit informiert.
Wessen Verschulden lag vor?
Rothammer: Der Vorgang fällt in den Verantwortungsbereich des Sport-Geschäftsführers. Ob er nun selber etwas versäumt hat oder die Angelegenheit delegiert hat, ohne die korrekte Abwicklung zu kontrollieren, spielt dabei keine Rolle. Er bestreitet das übrigens auch nicht.
Offiziell heißt es, dieser Fauxpas stehe nicht im Zusammenhang mit dem überraschenden Abgang von Roger Stilz wenige Tage später. Bleiben Sie dabei?
Rothammer: Ja. Was seine Beweggründe waren, müssten Sie ihn selber fragen. Es gab natürlich Gespräche, als der Fehler bekannt wurde. Diese gingen aber nahtlos dazu über, dass er uns über seinen Wunsch informiert hat, Regensburg zu verlassen. Darauf war ich nicht eingestellt. Dass wir auf einer zentralen Position wie dieser akuten Bedarf haben würden, war für uns so nicht absehbar.
Waren Sie denn mit seiner Arbeit zufrieden?
Rothammer: Ich hatte ansonsten jedenfalls nichts an der Arbeit von Roger Stilz auszusetzen. Sicherlich war es schwierig, die Nachfolge anzutreten, wenn – wie in unserem Fall – mit Christian Keller eine starke Persönlichkeit nach langjähriger Tätigkeit den Verein verlässt. Es nimmt natürlich Zeit in Anspruch, bis sich beide Seiten gefunden haben. Das war auch bei Roger Stilz erkennbar. Aber im Umgang mit den Trainern, dem Team und allen anderen Mitarbeitern habe ich keine negativen Stimmen gehört.
Warum hat es trotzdem offenbar nicht ganz gepasst?
Rothammer: Roger Stilz ist gebürtiger Schweizer, wohnte lange in Hamburg, war zuvor in Belgien tätig und trifft hier – ich möchte es mal so ausdrücken – auf unsere hemdsärmelige Oberpfälzer Art. An die
muss man sich vielleicht
erst gewöhnen. Aber ich
betone nochmals: Ich persönlich hatte ein sehr gutes
Verhältnis zu ihm, wir hatten einen offenen Austausch.
Die Suche nach einem Nachfolger läuft. Wie ist der Stand der Dinge?
Rothammer: Uns liegt eine Vielzahl von Bewerbungen vor, die wir gerade sortieren. Zudem haben wir Kandidaten auf unserem Zettel, die wir seit einiger Zeit verfolgen. Wir verschaffen uns also aktuell einen Überblick. Der zeitliche Horizont ist klar: Natürlich streben wir so schnell wie möglich eine Lösung an, aber wir werden uns nicht hetzen lassen. Wir treffen keine Entscheidung, von der wir nicht überzeugt sind.
Wie viele Bewerber haben sich bei Ihnen gemeldet?
Rothammer: Mehr als 50, auch per E-Mail, WhatsApp oder Telefon. Ich habe bereits scherzhaft gesagt: Der Fachkräftemangel ist auf dieser Position noch nicht angekommen.
Wann melden Sie Vollzug?
Rothammer: Ein sehr naheliegendes Datum ist natürlich der Beginn der nächsten Transferperiode im Januar.
Beim Abgang von Christian Keller hieß es, zum 1. November sollte ein neuer Geschäftsführer Sport installiert sein, weil dann zentrale Weichenstellungen für die nächste Saison anstehen.
Rothammer: Wenn wir zum 1.November eine ideale Lösung präsentieren können, gerne. Aber die Aufgabe, eine Mannschaft für die kommende Saison zu formen, ruht ja nicht nur auf den Schultern einer Person. Wir haben ein Scouting-Team, wir haben einen Trainerstab, wir haben einen Cheftrainer, die sich alle intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Die finalen Entscheidungen wird dann natürlich der neue Geschäftsführer Sport treffen.
Ist eine interne Lösung ausgeschlossen?
Rothammer: Sie ist nie ausgeschlossen, ich halte sie aber im Moment für unwahrscheinlich.
Herr Rothammer, Sie hatten nach der sportlichen Negativserie Ihrem Cheftrainer Mersad Selimbegovic demonstrativ den Rücken gestärkt. Bleibt es bei dieser Jobgarantie?
Rothammer: Eine Jobgarantie hat bei uns niemand im Verein, das möchte ich ausdrücklich unterstreichen. Wir beurteilen die Leistung aller Mitarbeiter. Und an der Einschätzung, dass die Leistung von Mersad Selimbegovic nicht daran schuld ist, dass uns ein paar Punkte auf dem Konto fehlen, hat sich nichts geändert. Wenn wir der Ansicht wären, dass wir mit einem Trainerwechsel einen neuen Impuls setzen müssen, würden wir dies auch tun. Ich bin aber der Meinung, dass dies der falsche Schritt wäre.
Warum?
Rothammer: Mersad hat jedes Jahr mit einer Menge Neuzugängen umzugehen, heuer zudem mit – aus meiner persönlichen Sicht – sehr vielen Leihspielern. Er muss daraus eine Mannschaft formen. Kaum ist ihm das gelungen, verlassen uns die Spieler wieder. Was er in den vergangenen Jahren geleistet hat, ist beachtlich. Jemand anderen zu finden, der diese Arbeit mit so viel Einsatz, mit solcher Verbundenheit zum Verein und Loyalität leistet, dürfte sehr schwierig sein. Sicherlich ist auch Mersad nicht fehlerfrei. Aber welcher Trainer macht keine Fehler? Ich bin nach wie vor der Meinung, er ist für den Jahn die beste Lösung auf dieser Position.
Sie betonen stets, dass die sportliche Kompetenz nicht zum Kernbereich Ihrer Aufgaben als Vorstandsvorsitzender zählt. Würden Sie trotzdem eine Einschätzung zur aktuellen Lage des Jahn abgeben?
Rothammer: Die Liga ist sicherlich nicht so prominent besetzt wie in der Vorsaison. Aber sie ist meiner Meinung nach ausgeglichener als je zuvor. Und es ist noch härter, in ihr zu bestehen. Alle Vereine, die aus der 3. Liga aufgestiegen sind, bringen eine enorme Wucht mit. Nehmen Sie Kaiserslautern und wie es auf dem Transfermarkt aktiv wurde. Der Klub hat den dritthöchsten Zuschauerschnitt aller Zweitligisten in Europa. Ähnlich Braunschweig, ähnlich Magdeburg. Es gibt in dieser Saison keine Konkurrenten, die automatisch abfallen würden. Insofern darf man unsere sportliche Situation nicht schönreden, aber man muss realistisch bleiben und darf nicht in Panik verfallen. Ich möchte daran erinnern, dass wir in der vorletzten Saison den Klassenerhalt erst am letzten Spieltag gegen St. Pauli gesichert haben.
Ihre Amtszeit als Vorstandsvorsitzender endet am 30. Juni 2023. Haben Sie für sich persönlich schon entschieden, ob Sie beim Jahn weitermachen?
Rothammer: Nein, diese Entscheidung habe ich noch nicht getroffen. Es ist Aufgabe des Aufsichtsrats, einen Vorstandsvorsitzenden zu benennen. Wenn mich das Gremium darum bittet, das Amt weiter zu bekleiden, dann werde ich darüber nachdenken – sofern die Rahmenbedingungen stimmen und es in meinen Lebensplan passt.
Zweifeln Sie daran, dass der Aufsichtsrat hinter Ihnen steht?
Rothammer: Das müssen Sie den Aufsichtsrat fragen.
Spüren Sie intern Gegenwind?
Rothammer: Würde ich den verspüren, würde ich das nicht öffentlich austragen. Wir haben im Aufsichtsrat zuletzt Themen wie das Nachwuchsleistungszentrum oder die Suche nach einem Nachfolger von Roger Stilz sehr sachlich diskutiert und entschieden. Ich werde nächstes Jahr 70, dann mache ich das neun bewegte Jahre, solange haben es nicht viele auf dieser Position ausgehalten. Ich mache die Aufgabe mit sehr viel Herzblut und Einsatz, es ist viel Arbeit, häufig macht sie Spaß, aber auch nicht immer. In meinem Alter sollte man sehr auf die eigene Gesundheit achten.
Bei der vergangenen Mitgliederversammlung waren Dissonanzen unüberhörbar. Die Ultras in der Fanszene machen ihren Einfluss geltend. Wie bewerten Sie das?
Rothammer: Wir haben rund 4700 Mitglieder. Von denen waren bei unserer vergangenen Versammlung knapp 300 anwesend, davon geschätzt rund 100 bis 120, die der organisierten Fanszene zuzuordnen sind. Wenn diese dann Mehrheiten bilden, dann ist das ein demokratischer Prozess, den es zu respektieren gilt.
Aber?
Rothammer:
Ich wäre sehr dafür, dass mehr unserer 4700 Mitglieder an diesen Versammlungen teilnehmen, um das gesamte Meinungsspektrum widerzuspiegeln. Andernfalls kann es sein, dass eine gut organisierte Minderheit Mehrheiten bildet und Entscheidungen trifft, die ich vielleicht nicht immer für richtig halte. Natürlich gilt es jedoch zu betonen, dass ich den Austausch von Meinungsverschiedenheiten als wichtig erachte, weil dieser ein aktives Vereinsleben fördert.
Interview: Heinz Gläser
Der unendliche Jahn- (Wahnsinn) geht weiter