Abgeltungssteuer-Der Parasitäre Staat frisst weiter

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Obi
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Abgeltungssteuer-Der Parasitäre Staat frisst weiter

Beitrag von Obi » Sa, 28.10.06, 3:21

Guter Kommentar zur Abgeltungssteuer

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Die Anleger werden geschröpft
Von Ekkehard Wenger

Wenger: "Eine Bevorzugung von Fonds wäre unvernünftig und verfassungswidrig"

20. Juli 2006

Die von der Bundesregierung angekündigte Abgeltungsteuer auf alle Erträge aus Wertpapieren wird am linken Rand des politischen Spektrums zwar als unerwünschtes Zugeständnis an die Reichen mißverstanden; in Wahrheit ist sie freilich eine Kriegserklärung an alle Inhaber von Aktiendepots.

Dreiste Vernebelungsversuche, mit denen das Bundesfinanzministerium derzeit die öffentliche Diskussion in die Irre führen will, können darüber nicht hinwegtäuschen. So läßt Steinbrück etwa vorrechnen, daß die geplante Herabsetzung der Belastung von Gewinnen auf Unternehmensebene von bisher knapp 40 Prozent auf zukünftig knapp 30 Prozent dem Anleger in einem Maße zugute kommt, daß er trotz einer Abgeltungssteuer von 30 Prozent auf Dividenden per saldo besser fährt als mit dem bisherigen Halbeinkünfteverfahren; danach werden auf Dividenden derzeit maximal 21 Prozent Einkommensteuer fällig.

Mit dieser Aufrechnung wird geflissentlich unterschlagen, daß die Tarifsenkung auf Unternehmensebene durch die geplante Erweiterung der Bemessungsgrundlage um Finanzierungskosten weitgehend aufgezehrt und in vielen Fällen sogar überkompensiert wird. Die gegen die Erhöhung der Dividendenbesteuerung aufgerechnete Senkung der Unternehmensteuern ist also nichts weiter als ein Propagandatrick.

Noch ärgerlicher ist indessen, daß man vom Finanzministerium nichts darüber hört, was auf einen Anleger mit vernünftiger Depotstruktur zukommt. Wer dem aus wissenschaftlicher Sicht zwingenden Gebot der internationalen Diversifizierung folgt, hält nur einen geringen Bruchteil seines Vermögens in deutschen Aktien. Für ausländische Aktien aber ist die Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland bedeutungslos, so daß nicht einmal die Rechentricks des Finanzministeriums ausreichen, um die Erhöhung der Dividendenbesteuerung von 21 Prozent auf 30 Prozent als Entlastung der Anleger zu verkaufen.


Kursgewinnsteuer läuft auf Überbesteuerung hinaus

Noch dreister ist allerdings, was das Finanzministerium dazu verlauten läßt, daß ab 2008 auch eine Abgeltungssteuer in Höhe von 30 Prozent auf Kursgewinne fällig werden soll. Eine "Vereinfachung" soll das angeblich sein. Tatsächlich droht gerade dem langfristig denkenden, seine Altersvorsorge eigenverantwortlich planenden Anleger in dieser Hinsicht eine dramatische Mehrbelastung: Jenseits einer Haltefrist von einem Jahr hat er bisher gar keine Steuern auf Kursgewinne gezahlt, wenn seine Beteiligungsquote unter der Grenze von einem Prozent lag.
Sicherlich war das einfacher als die Erhebung von 30 Prozent Abgeltungssteuer. Wer innerhalb der Haltefrist herumspekulierte, hatte es zwar bisher schon nicht ganz so einfach. Aber das dabei eintreibbare Steueraufkommen ist quantitativ völlig bedeutungslos und rechtfertigt nicht einmal die Steuererhebungskosten.

Wer die Anleger schröpfen will, könnte nun argumentieren, daß die besonders einfache Nichtbesteuerung der meisten Kursgewinne ein ungerechtfertigtes Steuerprivileg sei, das im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung der etwas weniger einfachen Abgeltungssteuer weichen müsse. Tatsächlich läuft jede Kursgewinnsteuer auf eine schlichte Überbesteuerung der Inhaber von Anteilen an Kapitalgesellschaften hinaus, wenn - wie ab 2008 geplant - Unternehmensgewinne und Dividenden mit jeweils etwa 30 Prozent versteuert werden sollen.
Kursgewinne können nämlich nur gemacht werden, wenn man für Aktien einen Käufer findet. Der aber zahlt nur für das netto aus dem Unternehmen Herausholbare. Netto herausholbar sind ab 2008 die in zwei Schritten um jeweils 30 Prozent gekürzten Bruttogewinne. Wenn demnach nur 70 Prozent von 70 Prozent, also 49 Prozent, beim Anleger ankommen, sind Kursgewinne mit 51 Prozent vorbelastet.

Nicht einmal die besonders einfache Nichtbesteuerung der Kursgewinne vermag also etwas daran zu ändern, daß ihre Vorbelastung sogar noch deutlich über dem Tarif der Reichensteuer liegt. In vielen unserer Nachbarländer, in denen die Nichtbesteuerung langfristiger erzielter Kursgewinne die Regel ist, wird das offenbar ähnlich gesehen. In der Schweiz ist dem Gesetzgeber vorsorglich sogar per Volksabstimmung untersagt worden, auf Kursgewinne zuzugreifen.


Das Experiment mit dem Aktienmarkt

Nachdem den Entscheidungsträgern im hiesigen Finanzministerium aber - nicht zuletzt in dieser Zeitung - nachgesagt wird, daß ihnen eine systematische, neutrale und gleichmäßige Besteuerung weniger am Herzen liegt als ein beherzter und unkomplizierter Zugriff auf aufkommensträchtiges Steuersubstrat, werden sie eine konfiskatorische Besteuerung von Kursgewinnen gerne in Kauf nehmen, wenn sie nur genügend einfach ist. Das zu glauben aber ist geradezu infantil.
Fragt man sich, wo auf dieser Welt eine Abgeltungssteuer auf Kursgewinne erhoben wird, hilft ein Blick in die Türkei. Dort hat man sich an diesem wahnwitzigen Projekt gerade versucht. Nachdem man am türkischen Aktienmarkt hinreichend Chaos erzeugt hat, hat man eingesehen, daß es das Beste ist, wenn man das Projekt möglichst schnell wieder beerdigt.
So nimmt es nicht wunder, daß uns derzeit noch niemand verraten kann und will, wie das Experiment mit dem Aktienmarkt in Deutschland im Detail organisiert werden soll. Das mag auch daran liegen, daß man über die Details einfach noch nicht nachgedacht hat. Klar ist nur, daß im Ausland geführte Aktiendepots von einer Abgeltungssteuer bis auf weiteres nicht erfaßt werden können. Selbst langfristig ins Werk gesetzte Erpressungsversuche gegenüber Nachbarländern dürften zum Scheitern verurteilt sein, wie das Beispiel das mit viel Mühe durchgesetzten Zinsbesteuerungsabkommens zeigt. Der damit erzielte Steuerertrag liegt noch unterhalb der Grenze der Lächerlichkeit.
Im Falle einer Kursgewinnsteuer kommt hinzu, daß man anderen Ländern schwerlich die Erhebung von Steuern vorschreiben kann, die sie von ihren eigenen Bürgern wegen eines entprechenden Volksentscheids gar nicht erheben dürfen.


Die Fondsbranche möchte befreit werden

Selbst die Erfassung inländischer Aktien in inländischen Depots wirft Schwierigkeiten auf, wenn Depotentnahmen und -überträge stattfinden oder sich der Aktienbestand aus gesellschaftsrechtlichen Gründen wie etwa Fusionen, Kapitalerhöhungen oder die Rückzahlung von Einlagen ändert. Wie man gesellschaftsrechtliche Vorgänge bei im Inland verwahrten Auslandsaktien behandeln will, ist vor allem dann unklar, wenn solche Vorgänge dem deutschen Gesellschaftsrecht fremd sind. Noch mehr Scharfsinn darf dann auf die Behandlung von internationalen Aktienfonds verwendet werden, deren Anlagen von derartigen Vorgängen betroffen sind.

Die Fondsbranche hat daraus bereits die für sie nötigen Schlußfolgerungen gezogen: Sie möchte für Transaktionen auf Fondsebene von der Abgeltungsteuer befreit werden. Die Regierung hat die Wahl: Sie kann diesem Wunsch nachkommen, oder es wird im Handumdrehen keine in Deutschland domizilierenden Aktienfonds mehr geben. Wenn sie allerdings beim Direktanleger die Abgeltungssteuer auf Kursgewinne trotzdem erheben will, wird sie sich darauf einstellen müssen, daß eine derartige Diskriminierung wirtschaftspolitisch extrem unvernünftig und obendrein verfassungswidrig wäre. Das gilt selbst dann, wenn sie sich auf das - nur vordergründig plausible - Argument der Fondsbranche einläßt, daß eine Steuerbefreiung auf Fondsebene dann gerechtfertigt ist, wenn statt dessen nur die Veräußerung der Fondsanteile besteuert wird.


Direktanleger könnten ins Ausland verschwinden

Dies läuft nämlich darauf hinaus, daß die vom Fondsanleger mittelbar gehaltenen Aktien steuerfrei umgeschichtet werden dürfen, während Vermögensumschichtungen beim Direktanleger der Abgeltungssteuer unterliegen. Wer dann seine Fondsanteile bis ins Rentenalter hält oder gar vererbt, wird unter Umständen erst in vierzig Jahren oder überhaupt nie zur Kasse gebeten, während der Direktanleger sofort besteuert wird. Das kann je nach Laufzeit der Fondsanlage bedeuten, daß sie allein wegen des Privilegs der steuerfreien Umschichtung am Ende mehr als doppelt soviel einbringt wie ein direkt gehaltenes Aktiendepot. Daraus folgt zum einen, daß die Fondsbranche die Konkurrenz zum direkt gehaltenen Aktiendepot auch dann noch gewinnen kann, wenn sie insgesamt extrem schlecht arbeitet; zum anderen sind überdurchschnittlich schlecht arbeitende Fonds vor einem Wechsel der Anleger zur Konkurrenz immer dann geschützt, wenn im Fondsanteil noch Kursgewinne stecken, die bei dessen Veräußerung steuerpflichtig würden.

Obendrein ist noch zu bedenken, daß Investmentfonds aufgrund des Herdenverhaltens ihrer Manager die Kursentwicklung an den Börsen destabilisieren, was sich gerade in Deutschland besonders unangenehm bemerkbar macht. Auch ihre Beiträge zur Unternehmenskontrolle sind alles andere als rühmlich.
Noch jahrelang haben sie Versager an der Spitze großer Unternehmen gedeckt, als die Direktanleger längst ihren Unmut deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Auch die maßlosen Optionsprogramme, die selbst mittelmäßigen Managern die Taschen gefüllt haben, sind von der Fondsbranche noch durchgewinkt worden, als die Direktanlager schon lange auf den Barrikaden waren. Wenn die Regierung mit einer Extrawurst für Investmentfonds erreichen will, daß die Corporate Governance noch mehr mit den Interessenkonflikten der Fondsmanager belastet wird, mag sie dem Direktanleger jetzt noch eine diskriminierende Abgeltungssteuer aufbürden. Sie muß dann allerdings damit rechnen, daß diejenigen Direktanleger, bei denen es etwas zu holen gäbe, dorthin verschwinden, wo sie vor der Kursgewinnsteuer geschützt sind. Dann werden auch diejenigen Steuern ausfallen, die sie bisher noch in Deutschland gezahlt haben. Die Experten im Finanzministerium sollten schon einmal nachrechen, wie hoch das Steueraufkommen ist, das wegen der Abgeltungsteuer per Saldo wegbrechen wird.

Ekkehard Wenger ist Professor für Bankwirtschaft und Unternehmensfinanzierung an der Universität Würzburg.

Text: F.A.Z., 20.07.2006, Nr. 166 / Seite 21
Bildmaterial: picture-alliance / dpa/dpaweb
Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen-wird am Ende beides verlieren.

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