Anreiz zur Kapitalflucht.

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Obi
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Anreiz zur Kapitalflucht.

Beitrag von Obi » Do, 03.08.06, 20:02

Handelsblatt Nr. 147 vom 02.08.06 Seite 28

STEUERREFORM: Die Pläne der Regierung wirken sich massiv auf die Rendite vieler Geldanlageprodukte aus. Nach Ansicht von Kritikern steigt der Anreiz zur Kapitalflucht. (Nicht nur das Kapital wird fliehen)

Steinbrück unter Druck

FINN MAYER-KUCKUK | FRANKFURT Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kritisiert die Pläne von Finanzminister Peer Steinbrück für eine Abgeltungsteuer als anlegerfeindlich. "Die Steuer würde wirken wie eine Enteignung", sagte SdK-Vorstand Klaus Schneider am Dienstag in Frankfurt. Vor allem dem Alterssparen werde die Chance auf satte Wertentwicklung genommen, weil der Fiskus ständig Gewinne abschöpfe.

Die Regierung plant im Rahmen der Unternehmensteuerreform, ab 2008 eine Abgeltungsteuer von 30 Prozent auf private Kapitalerträge zu erheben, die später auf 25 Prozent sinken soll. Das Gesetz würde die Banken zwingen, Steuern auf Kapitalerträge direkt ans Finanzamt zu überweisen.

Bisher gelten für verschiedene Formen der Wertpapiergewinne verschiedene Formen der Besteuerung. Die Gewinne aus Dividenden sind zur Hälfte steuerfrei, für die andere Hälfte muss der Anleger Einkommensteuer zahlen. Kursgewinne sind innerhalb einer Veräußerungsfrist von einem Jahr einkommensteuerpflichtig, danach steuerfrei.

"Die geplante Besteuerung der Anleger verfehlt völlig ihren Zweck", sagt der SdK-Vorsitzende Schneider. Die Neuregelung verstärke die Anreize zur Kapitalflucht und schwäche die Anreize zum Alterssparen. Sie benachteilige insbesondere Anleger mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Stattdessen plädiert die SdK für eine Abgeltungsteuer mit niedrigeren Steuersätzen als den geplanten 25 Prozent und einem einfacheren Aufbau.

Beispielrechnungen der Aktionärsschützer zufolge müssten die Anleger für ihre Wertpapiergewinne bei der Steuererklärung nach der Reform je nach Situation zumindest einige Prozentpunkte mehr abführen; für Aktionäre mit niedrigem Einkommen könnte sich die Belastung verdoppeln.

In den Modellen unterstellt die SdK, dass der Anleger nicht die Möglichkeit nutzt, die Steuern auf Wertpapiereinkünfte mit der Gesamtsteuerschuld zu verrechnen; die Kapitaleinkünfte also nicht - wie bisher auch möglich - jährlich zu veranlagen. Der SdK zufolge werden die Formulare dafür so schwer auszufüllen sein, dass die Kosten für den Steuerberater die Ersparnis wieder aufzehren.

Ein Anleger mit einem Einkommensteuersatz von 30 Prozent, der nach derzeitigem Recht 9,3 Prozent Steuern von den Dividenden in einem Beispieldepot abführen muss, könnte durch eine Abgeltungsteuer von 25 Prozent bei einer Belastung von 15,1 Prozent landen. Etwas besser sieht es für Personen mit einem Einkommensteuersatz von 40 Prozent aus, wo die Quote von 13 auf 15 Prozent stiege. Deutlich härter träfe das Gesetz dagegen Niedrigverdiener mit einem Einkommensteuersatz von 15 Prozent. Für sie würde sich die Belastung von 4,7 Prozent auf 9,1 Prozent mehr als verdoppeln.

Schneider äußerte zudem die Befürchtung, dass die Regierung nicht wie versprochen den Steuersatz von 30 Prozent nach einigen Jahren wieder auf 25 Prozent zurückfährt. Dann müssen die Sparer jeweils noch einige Prozentpunkte mehr an den Staat abführen.

Die Aktionärsschützer haben auch durchgerechnet, was der ständige Abfluss von Geld für das Depot eines Alterssparers bedeutet. Wo mit dem geltenden Steuerrecht bei durchschnittlich 5,5 Prozent Zinsen über einen Zeitraum von zwanzig Jahren ein Wertzuwachs von 192 Prozent möglich ist, zehrt die neue Steuer so stark an der Leistung der Anlage, dass schließlich nur 134 Prozent Wertzuwachs übrig bleiben.

Schlimmer noch würden die Regierungspläne Wertpapierbesitzer treffen, die ihr Geld nicht die ganze Zeit in einer Anlage investiert lassen, sondern regelmäßig umschichten. Wenn der Gesetzgeber die Steuerfreiheit nach einer Veräußerungsfrist wie geplant abschafft, dann wird ein jährlich umschichtender Anleger mit lediglich 113 Prozent Wertzuwachs über 20 Jahre Anlagezeitraum dastehen - statt nach geltendem Recht mit 192 Prozent. Abzüglich der Inflation bleibt ein Wertgewinn von 18 Prozent - daher der SdK-Vorwurf der Enteignung.
Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen-wird am Ende beides verlieren.

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